Der ASC im Skiweltcup

gemeinsam mit Anton „Jimmy“ Steiner“ Pirmin Zurbriggen, Marc Giradelli, Ingemar Stenmark, Markus Wasmaier und vielen anderen

Bei den aktuellen Diskussionen rund um die Veranstaltung eines alpinen Weltcup-Rennens in Wien, vergessen viele, dass es ein solches bereits einmal gab – nämlich am 6. Jänner 1986, auf der Hohen Wand Wiese in Penzing. Und obwohl sich der Wiener Skiverband (auch bei diesem Thema) gerne mit fremden Federn  bzw. Leistungen schmückt, war es tatsächlich der ASC Wien, der als Veranstalter den damaligen Event – bei ausnehmend schwierigen Rahmenbedingungen – ermöglichte. Zum 50. Geburtstag des ASC im Jahr 1997, verfasste unser – leider im Jahr 2017 überraschend  verstorbener – Chronist Edgar J. Bublik unter dem Titel „50 Jahre ASC und ein bisschen mehr“ auf 166 Seiten eine ASC-Chronik. In Erinnerung an das einzige jemals in Wien ausgetragene Ski-Weltcuprennen und in Erinnerung an unseren lieben Edgar hier der damalige Bericht, aus dem man erkennen kann, dass der ASC – als Mitentwickler des Parallelslaloms – bis heute tiefe Spuren im Weltcup hinterlassen hat:  

Erstmals wird in den Club-Mitteilungen Nr. 12/1974 erwähnt, dass FIS-Präsident Marc Hodler den Vorschlag machte, einen Parallel-Slalom in Wien in den nächsten Weltcupkalender aufzunehmen. Wir hatten erfahren, dass der Erfinder des alpinen Skiweltcups, Serge Lang und die FIS planten, diesen Bewerb als vierte Disziplin ins alpine Programm aufzunehmen und wollten als Erfinder an Weiterentwicklung und Reglement mitwirken. Im Oktober 1984 nahm Walter Mayerl Gespräche mit diversen Behörden auf. Denn um die Aufnahme einer solchen Veranstaltung in den Weltcupkalender zu erreichen, waren neben den Kontakten zu FIS und ÖSV auch Überlegungen für den Fall von Schneemangel zu treffen und die Strecke zu homologieren. Schon im Dezember 1984 lesen wir von der Ankündigung des FIS-Präsidenten Marc Hodler, Weltcupkonkurrenzen in die Städte zu bringen, weil Interesse und Zuschauerzahlen in den klassischen Wintersportorten zurückgehen und die Industrie als Hauptsponsor des Weltcups glaubt, ihre Produkte näher an den Käufermärkten bewerben zu müssen. Die Festlegung auf den 6. Jänner 1986 und auf Wien erfolgte schließlich beim FIS-Kongress in Vancouver. Es fehle nicht an Unkenrufen aus den Bundesländern.

Nach einigen Ausflügen zum Annaberg und nach Hinterstoder kehrte der ASC mit der Austragung der Parallelslalom- Landesmeisterschaften am 16. Jänner 1985 auf die Hohe Wand Wiese zurück. Ein Gespräch mit Serge Lang beim Hahnenkammrennen am 12. Jänner 1985 führte schließlich zum entscheidenden Zusammentreffen am 12. Februar 1985 zwischen Bürgermeister Helmut Zilk und dem Vorsitzenden des Weltcup-Komitees, Serge Lang. Lang besichtigte im Anschluss die damals gut verschneite Hohe Wand Wiese.

Die Weltcuppiste in 1140 Wien

Die sportliche Durchführung sollte der ASC übernehmen. Ein weiterer wesentlicher Punkt der Vorbereitung betraf die praktische Erprobung der Schneeerzeugung. Bezüglich Unterbringung von Aktiven, Betreuern, Renndienst der Firmen (ca 110 Personen), sowie der Journalisten gab es seitens der FIS genaue Richtlinien. An den ÖSV waren substantielle Wettkampfgebühren zu zahlen. 100 Skianzüge in drei verschiedenen Farben mit Werbeaufschrift laut FIS-Reglement sorgten für die einheitliche Kleidung der Funktionäre und Helfer.

Weitere Aktivitäten betrafen: Leitungsbau der Post für Medieneinrichtungen, Kabinen für Kommentatoren, Kamerastandorte, Absperrungen und Zäune, Verkehrsregelung, Tribünenaufbau, Eintrittskartendruck und -vertrieb, Ordnerdienst, Verpflegung, Lautsprecheranlagen, Müllgefäße, sowie nicht zuletzt bereits Vorbereitungen für alle Abbau- und Aufräumarbeiten nach Ende der Veranstaltung. Ein gehöriges Ausmaß an Logistik war demnach schon in der Vorbereitungsphase notwendig, eine herkulische Anstrengung, wie den 38 enthaltenen Dokumenten zu entnehmen ist.

Michael Duschel, Günther Michalek und Peter Krassel leiten die Arbeiten

Es würde den Rahmen dieser Retrospektive sprengen, wollte man alle Schritte in den letzten drei Monaten vor dem Ereignis nachvollziehen. Es seien daher nur einige Highlights hervorgehoben. EUROVISION übertrug die Veranstaltung. Zum Generalsekretär der Veranstaltung wurde die ASC-Legende Walter Mayerl bestimmt. Weiters vom ASC in den Ausschüssen vertreten: Peter Krassel, Wolfgang Freisleben, Michael Duschel, Abel Dus und Günther Michalek.

Der Bewerb firmierte als „BASF-Weltcup-Parallelslalom Wien“. Die Werbeflächen wurden an die Firma „FILA Sport“ vermietet. Ein Rahmenprogramm sollte für ein langsames Abströmen der Zuschauer sorgen. Vier Kamerastandorte wurden festgelegt. Die Unterbringung des Weltcupzirkus erfolgte im Parkhotel Schönbrunn.

Die Vorbereitungen waren getroffen, nur der Schnee fehlte. Am Vorabend fand im Wiener Rathaus ein Wintersportball statt, welcher sich ORF-Gala nannte. Da es direkt im Fernsehen übertragen wurde, war auch der Auftritt der Ski-Nationalmannschaft ein Muss. Aufgrund langfristiger Wetterprognosen war nicht mit Kälte zu rechnen, weshalb auf das vorbereitete Schneeersatzprogramm zurückgegriffen werden musste. Die Erzeugung des Kunstschnees lief wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage in der Technischen Versuchs- und Forschungsanstalt Arsenal bereits am 16. Dezember 1985 an. Während es auf der Planai grünte und die Silvesterabfahrt in Schladming gefährdet war, schneite es in Wien, aber leider nur im Windkanal des Arsenals. In zahlreichen Bildreportagen wird über die Erzeugung, den Transport und die Verteilung des Schnees auf der Hohen Wand Wiese berichtet. Der Transport wurde von Michael Duschel zwischen 3. und 5. Jänner 2985 organisiert, für die Verteilung am Hang musste zusätzlich zu einem Pistengerät ein Hubschrauber eingesetzt werden.

Startberechtigt waren die 32 bestplatzierten im Weltcup. Obwohl das Rennen nur zum Nationencup zählt, den Luxemburgs Einmannteam nicht gewinnen kann, sagt der Führende im Weltcup, Marc Giradelli als Erster seinen Start zu. Unter den 32 Startberechtigten finden sich zwar etliche österreichische Abfahrer, aber nur ein Slalomspezialist: Hubert Strolz.

Weiters dürfen ua starten: Peter Wirnsberger, Helmut Höflehner, Leonhard Stock, Erwin Resch, Anton „Jimmy“ Steiner und Stefan Niederseer (alle AUT), Peter Müller, Joël Gaspoz, Karl Alpiger, Franz Heinzer, Pirmin Zurbriggen, Daniel Mahrer, Max Julen (alle SUI), Michael Mair, Richard Pramotton, Ivano Idalini, Marco Tonazzi (alle ITA), Rok Petrovic, Bojan Krizaj (beide YUG), Paul Frommelt, Andreas Wenzel (LIE), Marc Giradelli (LUX), Ingemar Stenmark (SWE), Markus Wasmaier (GER).

Im Viertelfinale setzten sich Tonazzi gegen Stock, Wasmaier gegen Zurbriggen, Edalini gegen Frommelt und Steiner gegen Julen durch. Mit Siegen über Tonazzi bzw Steiner erreichten Edalini und Wasmaier das Finale. Der Weltcupführende und Publikumsmagnet Marc Giradelli war schon im Achtelfinale gegen den Abfahrtsolympiasieger Leonhard Stock ausgeschieden. Im Finale schlägt Ivano Edalini Markus Wasmaier, Anton „Jimmy“ Steiner wird Dritter.

3 Tage vor dem Rennen: Kein Schneekorn auf der Piste !

Der Pacours auf der Hohen Wand Wiese

Während deutsche Sportzeitungen die hervorragend präparierte Piste loben und den zweiten Platz von Markus Wasmaier bejubeln und auch Karl Schranz sich positiv äußert, gibt es wieder kritische Stimmen aus den Bundesländern. Die „Salzburger Nachrichten“ hielten den Parallelslalom für zu leicht, der Hang sei nicht steil genug und Schanzen fehlten, die den Bewerb erst interessant machten und den reinen Abfahrtsspezialisten entgegenkommen. Statt der erwarteten 8000 Zuschauer seien nur 6500 gekommen. Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ beckmesserten, die Gemeinde Wien hätte viel Geld in den Schnee stecken müssen. Die „Tiroler Tageszeitung“ sah ebenso fast nur negatives und hielt das Ganze für eine teure Gaudi. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sah das Ereignis für Wien positiver, nach 17 Jahren seien erstmals wieder Spitzenläufer an die blaue Donau gekommen. Die Vergangenheit hätte mit altgedienten Funktionären und einem Schuss Amateurismus des Akademischen Skiclubs die Gegenwart eingeholt. Die Wiener Blätter sprachen durchwegs von einer Supershow. Österreichs damaliger Cheftrainer Dieter Bartsch hielt das Rennen für eine Farce und eine Verbeugung vor den Wiener Journalisten. Auch die Gesellschaftskolumnen der hauptstädtischen Blätter hatten über die Rahmenereignisse wie den Ball und die Ehrungen ausführlich in Seitenblickemanier berichtet. Der damalige Präsidentschaftskandidat Kurt Steyrer durfte da ebensowenig fehlen, wie Karl Schranz. Marc Giradelli wurde mit einem „silbernen Rathausmann“ ausgezeichnet.

Der Generalsekretär des Rennens – die ASC-Legende Walter Mayerl – fasste das Rennen wie folgt zusammen: „Am 5.1.1986 wurde um 7 Uhr morgens bei Flutlicht eine Hangbefahrung für die österreichische Mannschaft organisiert, um den Heimvorteil zu nutzen. Am Renntag wurden die Zuschauer mit Bussen vom Hanappi-Stadion herangebracht, etwa 7000 füllten eine Tribüne größer als in Kitzbühel und nahmen seitlich der Strecke Aufstellung. Der Rennverlauf war spannend, aber auch von Schwierigkeiten mit den Slalomstangen geprägt. Die FIS hatte ursprünglich Kippstangen verboten, dann aber die Innere des RTL-Stangenpaares als Kippstange gefordert. Bei Berührung der Innenstange wurden die dazwischen gespannten Torflaggen öfter zerrissen. Auf Anordnung des FIS-Delegierten wurde daraufhin die feste Außenstange mit der Kippstange mit zusätzlichen Schnüren verbunden, was in der Folge für die Läufer unangenehme Folgen hatte. Fallweise wurde durch die Schwingungen die zweite Stange von den Schnüren aus dem Boden gerissen, viele bekamen eine zurückschwingende Stange von hinten auf den Kopf, einige strangulierten sich fast in den Schnüren. Trotzdem konnte die Veranstaltung flott in 1,5 Stunden über die Bühne gebracht werden. Bei der Wiener Premiere des Parallelslaloms im Weltcup war die Eigeninitiative entscheidend für den Gesamterfolg. Alle bei der Planung angestrebten sportlichen und organisatorischen Ziele wurden auch erreicht.“

Nicht zu überschätzen war jedenfalls der Aufwand, um überhaupt eine weltcuptaugliche Piste zeitgerecht fertig zu bekommen. Walter Mayerl erinnerte sich wie folgt daran: „Bisher hatte man in der Versuchs- und Forschungsanstalt Arsenal zur Simulation von Winterfahrzuständen 1m3 Schnee pro Stunde erzeugt, nun waren mindestens 10m3/h notwendig, um die benötigte Menge im Windkanal zu erzeugen. Als Produktionsdauer für 1000m3 wurde eine Woche veranschlagt. Die bei -35° Celsius schockgefrorenen Wassertröpfchen ergaben einen sehr kompakten, homogenen Schnee, der gegen Witterungseinflüsse drei- bis fünfmal so widerstandsfähig war. Die Piste konnte als hart aber griffig bezeichnet werden, was bei einem Parallelslalom besonders wichtig ist, da die beiden Strecken möglichst gleich sein sollen und der Sieger erst im Finallauf ermittelt wird. Pro Tag wurden mit dem LKW zwischen 300 und 500m3 Schnee auf die Strecke verfrachtet und mit einem Pistengerät nach unten verteilt. Durch das Schieben über die apere Wiese entstanden Verunreinigungen des ursprünglich blendend weißen Schnees. Durch den Einsatz eines Hubschraubers, mit dem abschließend noch 250m3 Schnee aufgebracht wurden, konnten die Pisten wieder strahlend weiß gemacht werden.

2 Tage vor dem Rennen wird der im Arsenal erzeugte Schnee mit dem Hubschrauber zur Piste verbracht.

3. Jänner 1986
Der Weltcup-Parallelslalom in Wien

Die endgültige Abrechnung der Veranstaltung ergab einen noch höheren Abgang als befürchtet, wovon allein 1,1 Mio Schilling auf die Rechnung für die Schneeproduktion entfielen. Inzwischen hatte aber ein durch andere Umstände ausgelöstes politisches Sesselrücken stattgefunden und niemand wollte sich vorerst an die mündlich getroffenen Zusicherungen und Vereinbarungen zur Verlustabdeckung erinnern.

Trotz des Beweises über die organisatorische Machbarkeit und technische Durchführbarkeit eines solchen Projekts und der Existenz einer inzwischen leistungsfähigen Beschneiungsanlage auf der Hohen Wand Wiese blieb es beim bisher einzigen Auftreten des Weltcups im Weichbild der Weltstadt Wien. Ein Interview mit Serge Lang vom April 1986 ist demaskierend. Die Leute, die den Zirkus finanzieren, nämlich die Skiindustrie, bestimmen die Prioritäten und legen die Austragungsorte fest. Geld und nicht die Selbstaufopferung ehrenamtlicher Funktionäre regieren die Skiwelt, ein trauriges aber wahres Fazit. Für die Mitarbeiter aus den Reihen des ASC war es trotzdem ein Erlebnis, das unsere Clubgeschichte bereichert hat.